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Zug der Erinnerung
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Cover: searching for traces

Geisterzug nach Buchenwald

In Viehwaggons der "Deutschen Reichsbahn" durch Europa

Helmut Steinitz musste in diesem Siemens-Außenlager des KZ
Auschwitz für die deutsche Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten.

TEL AVIV – Helmut Zwi Steinitz, einziger Überlebender einer jüdischen Familie aus Posen (Poznan), war 12 Jahre alt, als seine unbeschwerte Jugend endete. Die Familie wurde 1939 enteignet, interniert, dann „nach Osten“ abgeschoben und geriet über Zwischenstationen in das Krakauer Ghetto. Von dort verschleppten die Besatzer Helmuts Eltern und seinen jüngeren Bruder Rudolf in die deutsche Mordstätte Belzec. Helmut Steinitz entging dem Todestransport, aber kam nach Auschwitz, wo er in einem Nebenlager für die deutsche Kriegsindustrie als Schlosser arbeiten musste. Als die östliche Front im Januar 1945 näher rückte, trieb die SS Abertausende Häftlinge in einem Todesmarsch von Auschwitz nach Westen. Wer überlebte, wurde von der „Deutschen Reichsbahn“ einer neuen Methode der Vernichtung ausgesetzt. Helmut Zwi Steinitz erinnert sich:

„Die SS behandelte uns schlechter als Schlachtvieh. Mit der Räumung des KZ kam zwar der Vernichtungsapparat in Auschwitz zum Stillstand, jetzt hatten die Nazis aber die Absicht, ihren schändlichen Plan auf andere Weise durchzusetzen. Der Todesmarsch war eine der barbarischen Methoden; mit Beihilfe der „Deutschen Reichsbahn“ gab es noch eine andere: Die entkräfteten Häftlinge zu Tausenden in Viehwaggons zu sperren und in Erwartung ihres baldigen Todes wochenlang durch Europa zu fahren – in ungedeckten, offenen Güterwagen bei Minustemperaturen, bei Schnee und Eis im Januar 1945.

Erschöpft und hungrig waren wir in der Nähe von Gleiwitz (Gliwice) auf die Schienen getrieben worden. Um unser Leid noch zu steigern, blieben die Türen der Wagen geschlossen. So mussten die geschwächten Häftlinge nach oben klettern und aus Dachhöhe auf den Wagenboden springen. In den schäbigen Holzpantien, in denen ich den Todesmarsch von Auschwitz hinter mich gebracht hatte, gelang es mir nur mit großer Mühe, die Waggonwand zu überwinden.

Doch waren die „Reichsbahn“-Waggons bereits überfüllt. Die Häftlinge standen eng aneinandergepresst, Körper an Körper. Unsere dürftige Häftlingskleidung konnte uns nicht schützen. Stunden verbrachte der Zug auf dem abgelegenen Gleis bei Gleiwitz, hungernd und frierend erwarteten wir die Abfahrt, ohne zu wissen, wohin wir verschleppt werden sollten. Doch wie lange kann ein Mensch fast bewegungslos auf einem kleinen Fleck stehen und seine Bedürfnisse unterdrücken? Es war demütigend. So sahen wir bald fast nicht mehr menschenähnlich aus.

Es dämmerte bereits, als sich der Zug in Bewegung setzte. Der Himmel war sternenklar, nur das monotone Rattern der Räder und das Wimmern der Kameraden durchdrang die Nachtstille. Die Todesfälle häuften sich. Anfangs wurden die Leichen aus den „Reichsbahn“-Waggons geworfen; als jedoch die Anzahl der Opfer stieg, lagerte man sie in einem leeren Güterwagen und warf sie irgendwo unterwegs in ein Massengrab – unbekannte und vielleicht für ewig vergessene Menschen, die an den Schienenstrecken der damaligen „Reichsbahn“ liegen.

Ist den Zugführern und ihren Mannschaften sowie den unzähligen Stationsleitern entgangen, welche Fracht hier transportiert wurde? Waren sie blind und schwerhörig, als sie die Toten sahen und unser Flehen hörten?

Wir waren viele Tage unterwegs, bis ein weit verzweigtes Gleisnetz die Nähe einer Großstadt ankündigte. Der Geisterzug hielt unter der Brücke eines Güterbahnhofs. Schnell sprach es sich herum, dass wir in Prag gestrandet waren. Wir erkannten Fußgänger, die von oben in die offenen Güterwagen sahen – und spontan halfen. Päckchen mit Essen wurden hinunter geworfen. Ich konnte meine Blicke von der Brücke nicht abwenden und bewunderte den Mut und die Barmherzigkeit der Prager. Zum ersten Mal seit Jahren füllten sich meine Augen mit Tränen...Ich wusste nicht, was noch bevorstand.

Der Zug verließ Prag und fuhr nach endlosen Stunden durch bewaldetes Bergland. Gleise verzweigten sich, neue Anzeichen einer Stadt, dann die ersten Schilder: Weimar. Ich dachte an Goethe. Eisiger Wind fegte uns entgegen. Wir waren auf den letzten Schienenkilometern zum Todeslager Buchenwald.“

Wird fortgesetzt: "Räder müssen rollen..."